Kultur trifft Berufskolleg: „Der Zigeunerboxer“

Am 09.02.2023 fand „Lernen“ über ein bewegendes, berührendes und sehr intensives Solotheaterstück am Erzbischöflichen Berufskolleg Köln statt. Der Kölner Schauspieler Andreas Kunz spielte den „Zigeunerboxer“ in der Turnhalle des EBKs. Eine wahre Begebenheit aus der Zeit zwischen 1920 und 1942 und – wie im Nachgespräch von Schüler*innen formuliert, brandaktuell.

Wie gehe ich mit Zivilcourage um? Wie mutig bin ich Ungerechtigkeiten anzusprechen? Wie eindeutig bin ich, Position zu beziehen, statt in der Masse mitzulaufen?

Die intensive Spannung des Stückes sowie die lebendige Interaktion mit den Schülerinnen und Schüler während des Stückes ermöglichte eine nachhaltige Erfahrung, die später im Unterricht weiter besprochen wurde.

Zum Stück

Hans will vergessen. Die erste Begegnung mit dem Zigeuner Boxer Ruki vergessen. Doch er erinnert sich noch gut daran, wie der ihm in seiner Kindheit einen Apfel schenkte, wie sie Freunde wurden, wie Rukis Boxkarriere begann, wie sich ihre Wege trennten, wie Ruki Deutschlands bester Boxer wurde, wie ihm der Meistertitel wieder aberkannt wurde und wie sie sich in einem Arbeitslager der Nationalsozialisten erneut begegneten. Aber Hans kann nicht vergessen; er selbst ist die Erinnerung.

Rike Reinigers Monolog basiert auf der Biografie des Sinto-deutschen Boxers Johann „Rukeli“ Trollmann. 1933 gewann er die Deutsche Meisterschaft im Halbschwergewicht, doch einige Tage später wurde ihm der Titel vom Deutschen Boxsportverband wegen „armseligen Verhaltens“ aufgrund seiner Freudentränen wieder aberkannt. Als ein neuer Kampf angesetzt wurde, in dem Rukeli weder tänzeln noch ausweichen durfte, betrat der Zigeunerboxer den Ring mit blond gefärbten Haaren und weiß bestäubter Haut. Fünf Runden nahm er als Karikatur eines Ariers die Schläge des anderen Boxers deckungslos hin, bis er schließlich k.o. ging. Er verlor seine Boxlizenz und boxte nur noch auf Rummelplätzen. 1942 wurde Trollmann in das Konzentrationslager Neuengamme gebracht, wo sich die SS-Soldaten damit vergnügten, den ehemaligen Boxmeister nach Belieben zusammenzuschlagen. 1944 wurde Johann „Rukeli“ Trollmann im Außenlager Wittenberge ermordet. 70 Jahre später wurde Rukeli 2003 der Meistertitel wieder zuerkannt und seinen Angehörigen der Meistergürtel überreicht.

Im Nachgang zum Stück kam drei Schülerinnen aus einer Klasse zu uns und meinten, sie seien stolz, dass dieses Stück über ihresgleichen geschrieben und aufgeführt wurde, denn sie selbst seien „Zigeuner“.

Vielen Dank an Andreas Kunz, der uns mit seiner Aufführung heute einen besonderen Lernort ermöglicht hat.

Kollegin Suse Kunz bei der Anmoderation des Solotheaterstücks „Der Zigeunerboxer“

  • Text:Suse Kunz
  • Titelbild & Artikelfotos:Carsten Arntz
  • Fotos (Bilderreihe):Carsten Arntz, Reinhold Horz